Einleitung

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt Lärm nach der Luftverschmutzung den zweitgrößten gesundheitsgefährdenden Umweltfaktor in Europa dar [1, 2]. Menschen sind hauptsächlich in Ballungsgebieten, zunehmend jedoch auch außerhalb der Stadtgebiete Umweltlärm ausgesetzt. Die wichtigsten Lärmquellen sind dabei Straßen‑, Luft- und Schienenverkehr sowie Industrie und Nachbarschaft. Nach Schätzungen der Europäischen Umweltagentur sind in Deutschland 6,7 Mio. Menschen tagsüber und 4,3 Mio. Menschen nachts gegenüber schädlichem Straßenverkehrslärm exponiert [3]. Zahlreiche epidemiologische Studien haben negative Auswirkungen des Umweltlärms auf Gesundheit und Wohlbefinden beschrieben [4,5,6,7]. Insgesamt schätzt die WHO, dass in Westeuropa mehr als 1 Mio. sog. Disability-adjusted Life Years (durch gesundheitliche Beeinträchtigungen und vorzeitigen Tod verlorene gesunde Lebensjahre) jährlich auf durch Verkehrslärm bedingte Erkrankungen zurückzuführen sind [1, 2].

Lärmbelästigung wird generell als psychische Reaktion auf Lärmexposition angesehen [8] und gilt als umweltbedingte Gesundheitsbelastung. Nach Angaben der WHO ist Lärmbelästigung nach den Schlafstörungen die zweitwichtigste gesundheitliche Auswirkung von Umweltlärm [1] und ist selbst wiederum mit kardiovaskulären Erkrankungen und Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit verbunden [7, 9,10,11,12,13,14]. Insbesondere ist bei Lärmbelästigung das Risiko für Bluthochdruck [13], Vorhofflimmern [15], Depressionen und Angststörungen [9] erhöht. Lärm während der Nacht ist eine offensichtliche Quelle von Schlafstörungen und Lärmbelästigung und die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit zeigten sich gerade für nächtliche Lärmbelästigung ausgeprägter als für Lärmbelästigung am Tag [5, 15].

Drei aktuelle, zwischen 2013 und 2016 durchgeführte Erhebungen in der deutschen Bevölkerung zeigten, dass sich 37–76 % der Studienteilnehmenden zumindest leicht durch Straßenverkehrslärm belästigt fühlten [11, 16, 17]. Zudem wurde kürzlich für Deutschland die Belastung durch Umgebungslärm anhand von Years Lost to Disability (YLD), also der Jahre, die Menschen mit einer Gesundheitsstörung oder deren Folgen leben, quantifiziert. Es wurden 29.433 YLD aufgrund von Lärmbelästigung durch Straßenverkehrslärm, 5669 YLD durch Fluglärm und 23.367 YLD durch Schienenverkehrslärm geschätzt [18]. In Anbetracht der hohen Anzahl an Betroffenen besteht aus Sicht der öffentlichen Gesundheit ein starkes Interesse an der Identifikation und Bewertung von Determinanten der Lärmbelästigung in Deutschland. Nur teilweise ist diese Belästigung durch objektiv messbare Lärmpegel erklärbar. Tatsächlich ist die Korrelation zwischen den objektiven und subjektiven Maßen der Lärmexposition nur moderat, da sie durch regionale und individuelle Faktoren modifiziert werden kann [11, 14, 19,20,21,22]. Mehrere Studien zeigten Assoziationen zwischen Lärmbelästigung und regionalen Faktoren wie der Zusammensetzung der Wohngebiete oder -gemeinden bzw. einem benachteiligten Wohnumfeld [16, 22, 23]. Bei den individuellen Faktoren können Lärmempfindlichkeit und Kompensationsfähigkeit zur Variabilität der subjektiven Belästigung in einem vergleichbaren Ausmaß beitragen wie die individuellen Lärmpegel [24, 25]. Weitere individuelle Faktoren, die mit Lärmbelästigung assoziiert wurden, sind Angst vor Schädigung [24], subjektive Kontrollierbarkeit des Lärms [21], Wahrnehmung von Grünflächen [26], aber auch Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status und Wohnsituation [11, 16, 22,23,24,25, 27, 28].

Lärmbelästigung und ausgewählte potenzielle Einflussfaktoren wurden bereits in der deutschen Allgemeinbevölkerung in mehreren Studien untersucht [11, 16, 23, 29]. Die beiden populationsbasierten Erhebungen „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS1, 2008–2011; [16]) mit 7988 Teilnehmenden und „Gesundheit in Deutschland Aktuell“ (GEDA, 2012/2013) mit 19.294 telefonisch befragten Teilnehmenden berichteten eine erhöhte Lärmbelästigung bei Menschen mit niedrigerem sozioökonomischen Status und schlechten Wohnverhältnissen. Haushalte mit geringeren Einkommen lagen zudem eher an vielbefahrenen Straßen und waren daher stärker lärmexponiert [16].

Hauptziel dieser Querschnittsanalyse der Daten zur Halbzeit der Basiserhebung der NAKO Gesundheitsstudie (www.nako.de; [30]) war es, die Anzahl der NAKO-Teilnehmenden zu ermitteln, die sich durch nächtlichen Verkehrslärm belästigt fühlen, sowie zu überprüfen, ob diese Zahlen mit früheren Ergebnissen, insbesondere aus Deutschland, vergleichbar sind. Darüber hinaus sollten mit der Lärmbelästigung assoziierte individuelle (demografische, sozioökonomische sowie wohnungsbedingte) und regionale Faktoren identifiziert werden.

Die englischsprachige Version dieses Beitrags ist im Online-Zusatzmaterial zu finden.

Methodik

Studienpopulation

Datengrundlage waren die Daten zur Halbzeit der NAKO-Basiserhebung [30], die von Teilnehmenden in 18 Studienzentren (Augsburg, Berlin-Mitte, Berlin-Nord, Berlin-Süd, Bremen, Düsseldorf, Essen, Freiburg, Halle, Hamburg, Hannover, Kiel, Leipzig, Mannheim, Münster, Neubrandenburg, Regensburg und Saarbrücken) zwischen 2014 und 2017 erhoben wurden (siehe einleitender Beitrag von Schipf et al. in diesem Themenheft). Die NAKO Gesundheitsstudie untersucht Ursachen für die Entwicklung wichtiger chronischer Erkrankungen anhand von umfangreichen persönlichen Interviews und Fragebögen sowie verschiedensten Untersuchungsverfahren und biologischen Proben [30]. Die Studienteilnehmenden im Alter von 20 bis 69 Jahren mit Hauptwohnsitz innerhalb der Einzugsgebiete in Deutschland wurden randomisiert aus der Allgemeinbevölkerung gezogen. Insgesamt waren 101.816 Teilnehmende im Halbzeitdatensatz der Basiserhebung eingeschlossen, von denen 86.080 Angaben zur Lärmbelästigung machten und somit die Population für die vorliegende Analyse bildeten. Die Studie wurde gemäß der Deklaration von Helsinki durchgeführt.

Erfassung der Lärmbelästigung

Die Teilnehmenden beantworteten im Rahmen eines Touchscreenmoduls die Frage: „Wie sehr stört Sie Verkehrslärm in der Nacht (22–6 Uhr) von Auto, LKW, Zug oder Flugzeug in Ihrem Schlafraum, wenn Sie das Fenster geöffnet (gekippt oder ganz offen) haben?“, auf einer Likert-Skala von 1 („stört gar nicht“) bis 5 („stört sehr stark“). Da die Kategorien 2–5 relativ gering besetzt waren, wurden die Kategorien 2 und 3 zu „etwas/mittel gestört“ und die Kategorien 4 und 5 zu „stark/sehr stark gestört“ entsprechend einer früheren Studie zusammengefasst [16]. Obwohl in der Frage das Wort „gestört“ verwendet wurde, interpretieren wir die Antwort im Sinne einer Lärmbelästigung, da nicht nach konkreten Ereignissen wie Aufwachen oder Einschlafen gefragt wurde, wie es bei der Beurteilung von Störungen üblicherweise der Fall ist [31]. Zudem werden die Begriffe „gestört“ und „belästigt“ im Deutschen synonym verwendet [32]. Daher wird im Weiteren allgemein von Lärmbelästigung gesprochen.

Individuelle und regionale Faktoren

Die folgenden individuellen demografischen und sozioökonomischen Faktoren wurden betrachtet: Alter, Geschlecht (weiblich vs. männlich), Nationalität (Deutsch vs. andere), Familienstand (verheiratet vs. nicht verheiratet inkl. geschieden/verwitwet), Bildungsstand (niedrig: Hauptschul- oder kein Abschluss, mittel: mittlere Reife, hoch: Hochschulreife), monatliches Haushaltseinkommen (niedrig: <1700 €, mittel: 1700–4499 €, hoch: ≥4500 €) und Erwerbsstatus (erwerbstätig vs. nicht erwerbstätig inkl. Schüler/Rentner). Individuelle Faktoren zur Wohnsituation beinhalteten Wohneigentum (gemietete Wohnung/Haus, eigene Wohnung/Haus, betreutes Wohnen, Senioren‑, Pflegeheim), Anzahl der Haushaltsmitglieder (eine, zwei, drei und mehr Personen), Stockwerk des Schlafraums (Untergeschoss/Erdgeschoss vs. Obergeschoss) und Lage des Schlafraums (zu einer Hauptverkehrsstraße, Nebenstraße oder zum Garten/Innenhof). Für die weiteren Analysen wurde die Angabe zum Wohneigentum dichotomisiert zu gemietete Wohnung/Haus (inkl. betreutes Wohnen, Senioren- oder Pflegeheim) vs. eigene Wohnung/Haus. Als regionaler Faktor wurde das Studienzentrum betrachtet, um regionale Unterschiede der Einzugsgebiete und Heterogenität der Studienpopulationen zu berücksichtigen.

Statistische Auswertung

Der Zusammenhang zwischen individuellen und regionalen Faktoren und Lärmbelästigung wurde mittels multinomialer logistischer Regression mit wechselseitiger Adjustierung aller Faktoren untersucht. Personen, die sich leicht/mittel oder stark/sehr stark belästigt fühlten, wurden dabei mit nicht lärmbelästigten Personen verglichen. Für die einzige kontinuierliche Variable „Alter“ verwendeten wir glatte Funktionen (natürliche kubische Splines mit 2, 3 und 4 Freiheitsgraden), um einen potenziell nichtlinearen Zusammenhang mit der Lärmbelästigung zu untersuchen. Da wir insbesondere an Unterschieden zwischen den Studienzentren interessiert waren, wurden diese als feste Effekte aufgenommen. Als Sensitivitätsanalysen wurden zwei separate binäre logistische Regressionsmodelle gerechnet, die zumindest leicht belästigte mit nicht belästigten Personen bzw. stark/sehr stark belästigte mit nicht/leicht/mittel belästigten Personen verglichen. Die Ergebnisse sind als Odds Ratios (OR) mit 95 %-Konfidenzintervall (KI) dargestellt. Alle Analysen wurden mit den Paketen „mgcv“ und „VGAM” der Software R, Version 3.6.0 (https://www.r-projects.org/) durchgeführt.

Ergebnisse

Teilnehmercharakteristika

Unsere Stichprobe enthielt etwas mehr Frauen als Männer (Tab. 1). Die meisten Teilnehmenden waren zwischen 45 und 65 Jahre alt, deutscher Nationalität, erwerbstätig und verheiratet. Über drei Viertel hatten ihren Schlafraum im Obergeschoss, über die Hälfte gab eine Lage zum Garten/Innenhof an. Nahezu zwei Drittel der Teilnehmenden (62,3 %) fühlten sich nicht durch nächtlichen Verkehrslärm gestört, 27,3 % waren leicht oder mittel gestört und 10,4 % berichteten eine starke oder sehr starke Lärmbelästigung (Tab. 1). Ein Vergleich der demografischen Merkmale über die Lärmbelästigungskategorien zeigte, dass sich Männer tendenziell weniger durch Lärm gestört fühlten als Frauen. Teilnehmende aus der niedrigen Einkommensgruppe, Unverheiratete, zur Miete Wohnende sowie Teilnehmende mit einem im Obergeschoss bzw. zu einer Hauptstraße gelegenen Schlafraum fühlten sich vergleichsweise häufiger stark/sehr stark belästigt als die jeweiligen Alternativgruppen (Tab. 1​ und Abb. Z1 im Online-Zusatzmaterial für Zeilenprozent ausgewählter Variablen).

Tab. 1 Deskription der individuellen Faktoren der Teilnehmenden insgesamt (N = 86.080) sowie aufgeschlüsselt nach Lärmbelästigung

Da sich für die Faktoren Einkommen und Wohnsituation die größten Unterschiede bzgl. der Lärmbelästigung zeigten, untersuchten wir auch die Beziehung dieser Faktoren untereinander. Teilnehmende mit niedrigen Einkommen wohnten häufiger zur Miete und hatten eher einen im Untergeschoss/Erdgeschoss und zu einer Hauptstraße hin gelegenen Schlafraum als Teilnehmende mit hohem Einkommen (siehe Online-Zusatzmaterial, Abb. Z2). Bezüglich Studienzentrum wiesen Berlin-Mitte und Leipzig die höchsten Anteile stark oder sehr stark lärmbelästigter Teilnehmender auf (16,4 % bzw. 13,7 %), während in Augsburg und Regensburg die Zahlen am geringsten ausfielen (7,1 % bzw. 7,3 %; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Verteilung der nächtlichen Verkehrslärmbelästigung nach Studienzentrum

Lärmbelästigung und individuelle und regionale Risikofaktoren

Von den 86.080 Teilnehmenden mit Angaben zur Lärmbelästigung wurden 80.828 Teilnehmende in die Regressionsanalyse eingeschlossen, da für diese vollständige Informationen zu allen untersuchten Faktoren vorlagen. Da die natürlichen Splines für Alter mit 2, 3 oder 4 Freiheitsgraden alle auf einen quadratischen Zusammenhang mit höchsten Lärmbelästigungsanteilen für Teilnehmende der Altersgruppe 40–60 Jahre verglichen mit jüngeren bzw. älteren Teilnehmenden hinwiesen (Abb. 2), wurde Alter als natürlicher Spline mit 2 Freiheitsgraden in das Hauptmodell aufgenommen.

Abb. 2
figure 2

Nichtlineare Assoziation des Faktors „Alter“: Vergleich der Gruppen mit leichter/mittlerer (a, c, e) bzw. starker/sehr starker (b, d, f) nächtlicher Verkehrslärmbelästigung mit der nichtbelästigten Gruppe anhand natürlicher kubischer Splines mit 2 (a, b), 3 (c, d) und 4 (e, f) Freiheitsgraden im multinomialem logistischen Regressionsmodell unter Adjustierung aller anderen Kovariablen. ns natürlicher Spline, df Freiheitsgrade

Alle weiteren individuellen Faktoren wurden als binäre oder kategoriale Variablen eingeschlossen; die Ergebnisse sind in Tab. 2 im Vergleich zu den jeweiligen Referenzkategorien dargestellt. Interessanterweise fühlten sich Frauen weniger häufig leicht/mittel durch Lärm gestört (OR vs. nicht gestört: 0,92 [95 % KI: 0,89; 0,96]), aber häufiger stark/sehr stark gestört (OR 1,26 [95 % KI: 1,20; 1,33]) als Männer. Für alle anderen Einflussvariablen waren die Effektschätzer für leichte/mittlere und starke/sehr starke Belästigung gleichgerichtet. Teilnehmende nichtdeutscher Nationalität, mit mittlerer Reife, Hauptschul- oder fehlendem Schulabschluss und Teilnehmende in Haushalten mit mehr als drei Personen gaben weniger Lärmbelästigung an als Teilnehmende mit deutscher Nationalität, Hochschulabschluss bzw. Singlehaushalt. Teilnehmende mit geringem oder mittlerem Einkommen sowie nicht erwerbstätige, unverheiratete, zur Miete wohnende Teilnehmende mit einem im Obergeschoss und zu einer Haupt- oder Nebenstraße gelegenen Schlafraum fühlten sich stärker durch Lärm belästigt als Teilnehmende mit hohem Einkommen bzw. erwerbstätige, verheiratete Haus‑/Wohnungseigentümer mit einem im Unter‑/Erdgeschoss bzw. zum Garten/Innenhof liegenden Schlafraum. Den deutlichsten Einfluss auf die Chance, leicht/mittel oder stark/sehr stark durch Lärm belästigt zu sein, hatten die Wohnverhältnisse, insbesondere die Lage des Schlafraums zu einer Hauptstraße (OR für leichte/mittlere vs. keine Lärmbelästigung: 4,26 [95 % KI: 4,01; 4,52]; OR für starke/sehr starke vs. keine Belästigung: 13,37 [95 % KI: 12,47; 14,33]).

Tab. 2 Odds Ratios (OR) und 95 %-Konfidenzintervalle (95 % KI) für die Assoziation individueller Faktoren mit leichter/mittlerer bzw. starker/sehr starker nächtlicher Verkehrslärmbelästigung im Vergleich zu keiner Belästigung mittels multipler multinomialer logistischer Regression (N = 80.828). Die Studienzentren wurden als feste Effekte aufgenommen

Bezüglich der Studienregionen zeigten Teilnehmende aus Berlin-Mitte (OR für leicht/mittel belästigt: 1,46 [95 % KI: 1,34; 1,59]; OR für stark/sehr stark belästigt: 2,49 [95 % KI: 2,19; 2,82]) und Leipzig (OR 1,60 [95 % KI: 1,84; 1,73] bzw. OR 2,04 [95 % KI: 1,80; 2,30]) die stärkste Assoziation mit Lärmbelästigung im Vergleich zum Studienzentrum Augsburg (vorgegebene Referenz). Kiel dagegen war das einzige Zentrum, dessen Teilnehmende signifikant geringere Lärmbelästigung angaben als die Augsburger Teilnehmenden (OR 0,83 [95 % KI: 0,75; 0,92] bzw. OR 0,90 [95 % KI: 0,76; 1,06]; Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Feste Effekte der Studienzentren (Odds Ratio [OR] mit 95 %-Konfidenzintervall) für den Vergleich leichte/mittlere (oben) bzw. starke/sehr starke (unten) nächtliche Verkehrslärmbelästigung vs. keine Lärmbelästigung mittels multipler multinomialer logistischer Regression (Referenzkategorie: Augsburg)

Die Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen, zwei binäre logistische Regressionsmodelle zum Vergleich der zumindest leicht belästigten mit nicht belästigten bzw. stark/sehr stark belästigten mit nicht/leicht/mittel belästigten Teilnehmenden, zeigten ähnliche Muster im Vergleich zur multinomialen logistischen Regression, sowohl für die individuellen Faktoren als auch die Studienzentren (siehe Online-Zusatzmaterial, Tab. Z1 bzw. Abb. Z3).

Diskussion

Zusammenfassung der Ergebnisse

In dieser Querschnittsanalyse der Daten zur Halbzeit der NAKO-Basiserhebung fühlten sich knapp zwei Drittel der NAKO-Teilnehmenden gar nicht durch nächtlichen Verkehrslärm gestört. Leichte bis mittlere Lärmbelästigung wurde jedoch von 27,3 %, starke bis sehr starke Belästigung von jedem zehnten Teilnehmenden angegeben. Alle untersuchten demografischen und sozioökonomischen Variablen sowie Faktoren der Wohnsituation zeigten Assoziationen in den wechselseitig adjustierten Analysen. Wenn auch ein direkter Größenvergleich der Effektschätzer nicht möglich ist, ergaben sich die deutlichsten Assoziationen für die Lage des Schlafraums, gefolgt von Schulabschluss, Nationalität und monatlichem Haushaltseinkommen. Unterschiede in der subjektiven Lärmbelästigung ließen sich jedoch nicht allein durch individuelle Faktoren oder Wohnverhältnisse erklären, sondern fanden sich auch zwischen den teilnehmenden Studienzentren. Hier spiegeln sich möglicherweise regionale Unterschiede wie der Deprivationsindex, Zugang zu Grünflächen oder die Zusammensetzung der jeweiligen Studienpopulation wider.

Vergleich mit bisherigen Studien

Lärmbelästigung rückte bereits in den 1960er-Jahren ins Blickfeld der Forschung. Verschiedene Übersichtsarbeiten über individuelle und regionale Faktoren, die zur Belästigung durch Verkehrslärm beitragen könnten, wurden seither veröffentlicht [24, 25, 33,34,35,36]. Die meisten Untersuchungen basierten auf Daten aus Europa und Nordamerika. Eine Übersicht über deutsche Studien zur Prävalenz von Lärmbelästigung liefert Tab. 3. Der Bundes-Gesundheitssurvey (BGS; [29]) untersuchte die 1997–1999 erhobenen Daten einer repräsentativen Stichprobe von 6644 Personen zwischen 18 und 79 Jahren, von denen 32,1 % eine zumindest leichte und 22,0 % eine mittelstarke oder sehr starke Belästigung durch Verkehrslärm im Innenraum angaben. Zwischen 2008 und 2011 wurden 7988 Einwohner von 18–79 Jahren (BGS-Teilnehmende sowie eine neue Stichprobe) in der Studie DEGS1 untersucht [16]. Hier zeigten sich 37,4 % zumindest leicht und 6,3 % stark oder sehr stark in ihrer Wohnung durch den Straßenverkehrslärm belästigt. Bei der GEDA-Erhebung wurden 19.294 Einwohner ab 18 Jahre zwischen Februar 2012 und März 2013 telefonisch befragt [11]. Der Straßenverkehr wurde dabei als Hauptquelle der Lärmbelästigung in der Wohnung benannt: 37,2 % der Frauen und 39,3 % der Männer fühlten sich zumindest leicht gestört und 5,4 % der Männer wie der Frauen gaben eine starke oder äußerst starke Lärmbelästigung an.

Tab. 3 Vergleich der NAKO Gesundheitsstudie mit bisherigen Erhebungen zur Lärmbelästigung in der deutschen Bevölkerung

Im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP, Jahr 1999) machten 7275 Haushaltsvorstände im Alter von 17–98 Jahren in einem Fragebogen Angaben dazu, wie stark sie sich in ihrer Nachbarschaft durch Lärmbelastung betroffen fühlten ([23]; Tab. 3). Während sich 75,8 % nicht betroffen fühlten, gaben 16,4 % niedrig bis hohe und 7,8 % sehr hohe Beeinträchtigung durch Lärm aus jeglicher Quelle in der Nachbarschaft an. Die aktuellste Erhebung wurde vom Umweltbundesamt (UBA) durchgeführt und zeigte eine wesentlich höhere Prävalenz der Lärmbelästigung: Von 2030 Teilnehmenden ab 14 Jahren, repräsentativ für die deutsche Allgemeinbevölkerung, gaben nur 24 % gar keine Lärmbelästigung an, während sich 76 % zumindest etwas und 23 % stark oder äußerst stark durch Straßenverkehrslärm gestört fühlten [17]. Der Grund für diese Diskrepanz könnte darin liegen, dass die Befragung online durchgeführt wurde. Die Autoren des Berichts weisen darauf hin, dass die Onlinebefragungen von 2014 und 2016 deutlich höhere Häufigkeiten ergaben als die persönlichen Befragungen von 2012 und 2014 [17], bei denen 46 % keine und 54 % eine zumindest leichte Lärmbelästigung angaben.

Alle genannten Studien befassten sich mit der Lärmbelästigung während des gesamten Tages und sind damit nur begrenzt mit unserer Untersuchung vergleichbar. Zudem wurde die Lärmbelästigung in den einzelnen Studien unterschiedlich erfasst (Tab. 3). Nur die UBA-Umfrage und die DEGS1-Studie verwendeten dafür die ICBEN/ISO-Formulierung [37]. Generell enthielten die Fragen unterschiedliche Referenzpunkte (die Wohnung, innerhalb der Wohnung, die Nachbarschaft ohne Festlegung auf Innen- oder Außenbereich), unterschiedliche Skalen und Kategorienkombinationen sowie unterschiedliche Formulierungen (z. B. belästigt, gestört oder beeinträchtigt). In Bezug auf den letzten Punkt ist es unseres Erachtens gerechtfertigt, alle Fragen im Sinne der Lärmbelästigung zu interpretieren, obwohl es streng genommen Unterschiede zwischen Belästigung und Störung gibt: „Störung“ impliziert eher, dass eine Tätigkeit nicht wie gewünscht ausgeführt werden kann, während „Belästigung“ eine negative Beurteilung der Umgebungsbedingung beinhaltet [8]. Jedoch erfragten weder die bisherigen Studien noch die NAKO Gesundheitsstudie konkrete Ereignisse, die auf eine Störung hinweisen würden, wohingegen bei der Erfassung von Schlafstörungen explizit Ereignisse wie nächtliches Aufwachen oder Schwierigkeiten beim Einschlafen erfragt werden [31]. Wir gehen daher davon aus, dass die Studienteilnehmenden Angaben zu Belästigung und nicht zu einer unbewerteten Störung gemacht haben.

Da sich die früheren Studien bezüglich ihrer Definition der Verkehrslärmbelästigung, der erklärenden Faktoren und der statistischen Ansätze unterscheiden, kann der folgende Vergleich nur qualitativ sein. Unsere Analyse zeigte die stärksten Assoziationen mit der Lärmbelästigung für die Wohnverhältnisse und insbesondere die Lage des Schlafraums und bestätigte damit Ergebnisse des BGS [29], der DEGS1-Studie [16] sowie zweier früherer Studien aus Schweden [38] und der Schweiz [39], wenn auch alle diese Untersuchungen nur die Wohnlage allgemein betrachteten. Zu Wohneigentum und Wohnungstyp gibt es unterschiedliche Ergebnisse: Einige Studien finden keinen Unterschied bezüglich der Lärmbelästigung [33, 38], andere eine höhere [25] oder auch geringere [16, 36] Prävalenz bei Wohneigentümern. In unserer sowie der DEGS1-Studie gaben Eigenheimbesitzer seltener eine Belästigung durch Verkehrslärm an als Mieter. Auch Teilnehmende mit hohem Einkommen fühlten sich weniger lärmbelästigt; gleichzeitig korrelierte das Einkommen, wie auch bei der DEGS1-Studie [16] und im SOEP [23], mit den Wohnverhältnissen. DEGS1 und SOEP fanden jedoch keine signifikanten Unterschiede der Lärmbelästigung in Abhängigkeit vom Bildungsstand oder Erwerbsstatus, während wir, ähnlich einer Schweizer Studie [39], eine höhere Lärmbelästigung bei Personen mit höherem Schulabschluss beobachteten. Andere Studien [19, 25, 33, 38] fanden im Gegensatz dazu nur schwache oder gar keine Assoziationen zwischen Einkommen bzw. Bildungsstand und Lärmbelästigung. Bei der GEDA-Studie war ein niedriger sozioökonomischer Status (basierend auf Bildungsstand, beruflicher Stellung und Einkommen) mit stärkerer Verkehrslärmbelästigung assoziiert [11]. Entsprechend lebten Teilnehmende des BGS mit geringerem sozioökonomischen Status eher an vielbefahrenen Straßen und fühlten sich öfter durch Verkehrslärm belästigt als Teilnehmende mit höherem sozioökonomischen Status [29]. Auch die UBA-Erhebung zeigte einen erhöhten Lärmbelästigungsanteil bei Personen mit geringem Sozialstatus [17]. In einer aktuellen Übersicht zur sozialen Ungleichheit und Umgebungslärmbelastung kamen Dreger et al. zu dem Schluss, dass Indikatoren, die materielle Aspekte repräsentieren (wie Einkommen oder Wohneigentum), damit assoziiert sind, welche Wohnumgebung sich die Menschen leisten können. Für diese materiellen Indikatoren ist eine niedrigere sozioökonomische Position mit stärkerer Lärmexposition und Lärmbelästigung verbunden, während die Evidenz bezüglich des Bildungsstands uneinheitlich ist [22].

Während wir einen höheren Anteil an Verkehrslärmbelästigung bei Teilnehmenden deutscher Nationalität beobachteten, fühlten sich im SOEP Teilnehmende nichtdeutscher Nationalitäten häufiger durch Lärm allgemein betroffen [23]. Bezüglich des Alters beschrieben mehrere Studien eine geringere Lärmbelästigung bei älteren Menschen [25, 39]. Dies entspricht unseren Ergebnissen und kann durch die höhere Rate an Hörminderungen in dieser Population bedingt sein [4, 40]. Andere Studien (z. B. DEGS1) fanden hingegen keinen signifikanten Unterschied bzgl. Verkehrslärmbelästigung in verschiedenen Altersgruppen [16, 33, 38], während im SOEP ältere Personen ihre allgemeine Lärmbelastung als höher empfanden [23]. NAKO-Teilnehmerinnen zeigten häufiger eine starke/sehr starke Lärmbelästigung als NAKO-Teilnehmer. Entsprechendes wurde auch in früheren Studien beschrieben und spricht dafür, dass Frauen Umweltexpositionen mehr Aufmerksamkeit schenken als Männer [39, 41, 42]. Allerdings waren Frauen in unserer Analyse sowie in der DEGS1-Studie und im SOEP weniger häufig leicht oder mittel durch Lärm belästigt, während in anderen Studien keine eindeutigen Geschlechterunterschiede gefunden wurden [16, 23, 25].

Weitere Faktoren, die in der DEGS1-Studie mit erhöhter Verkehrslärmbelästigung und im SOEP mit erhöhter gefühlter allgemeiner Lärmbelastung einhergingen, waren Wohnort in Ostdeutschland, in einer großen Stadt oder im Industriegebiet. Ein ähnliches Muster zeigte sich auch in unserer Analyse, in der Studienzentren in großen Städten (Berlin-Mitte, Berlin-Nord, Bremen) und in Ostdeutschland (Leipzig, Halle) einen höheren Anteil an lärmbelästigten Teilnehmenden aufwiesen als Zentren in Westdeutschland oder kleineren Städten (Kiel). Interessanterweise wies auch Neubrandenburg, eine kleine ostdeutsche Stadt mit großem ländlichen Einzugsgebiet, einen hohen Anteil lärmbelästigter Teilnehmender auf. Für diese Analyse konnten wir nur die Studienzentren als sehr grobe Approximation für regionale Einflüsse verwenden. Hier wären spezifischere Faktoren, die die genaue Wohnlage und Wohnumgebung der Teilnehmenden beschreiben, von großem Interesse und sollen in künftigen Analysen Berücksichtigung finden.

Unsere Ergebnisse bestätigen Erkenntnisse früherer Studien, dass Indikatoren materieller Aspekte mit der Wohnumgebung assoziiert sind, die die Personen sich leisten können, und damit entscheidend für die Lärmexposition sein können [22]. Haushalte mit geringerem Einkommen liegen beispielsweise häufiger an vielbefahrenen Straßen und sind entsprechend häufiger Verkehrslärm ausgesetzt, ihre Mitglieder fühlen sich daher häufiger durch Lärm beeinträchtigt [11, 16, 23, 29]. Im Gegensatz dazu sind Personen aus Haushalten mit höherem Einkommen eher in der Lage, sich in Stadtvierteln mit niedrigeren Lärmpegeln niederzulassen oder umzuziehen, wenn die Lärmbelastung zunimmt [16, 22, 23]. Ob eine ungleiche Verteilung der Lärmbelastungen zwischen Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichem sozioökonomischen Status negative Auswirkungen auf die Gesundheit sozial benachteiligter Gruppen hat, bleibt in künftigen Studien zu prüfen.

Stärken und Schwächen der Studie

Wesentliche Stärken der vorliegenden Studie sind der große Stichprobenumfang und die genaue, über die Studienzentren einheitliche Charakterisierung der NAKO-Studienpopulation, was eine umfassende und standardisierte Analyse der Lärmbelästigung ermöglichte. Zudem verwendeten wir zur Untersuchung individueller und regionaler Einflussfaktoren multiple Regressionsmodelle mit wechselseitiger Adjustierung dieser Variablen, sodass gegenseitig verzerrende Einflüsse minimiert wurden. Dies könnte jedoch auch als Limitation angesehen werden, da potenzielle Korrelationen der erklärenden Variablen, beispielsweise der sozioökonomischen Faktoren, zu Multikollinearitätsproblemen innerhalb der Modelle führen könnten. Diese erste Analyse sollte jedoch einen generellen Überblick geben. Für die Entflechtung des Zusammenspiels der Faktoren sowie für die Identifikation der einflussreichsten Variablen sind weitergehende Analysen erforderlich. Darüber hinaus zeigten univariate Korrelationsanalysen nur geringe bis mittelstarke Korrelationen zwischen den betrachteten Faktoren.

Eine wesentliche Limitation unserer Studie ist das Fehlen von Daten zur objektiven Verkehrslärmbelastung, beispielsweise zu gemessenen oder geschätzten Lärmpegeln, Verkehrsdichte und weiteren regionalen Faktoren wie Bevölkerungs- und Gebäudedichte oder Arbeitslosenquote, für die in anderen Studien ein Einfluss auf die Lärmbelästigung beobachtet wurde [16, 23, 35]. Es ist jedoch geplant, die NAKO Gesundheitsstudie für künftige Analysen mit den entsprechenden Datenquellen zu verknüpfen. Weiterhin wurde in unserer Studie nicht die ICBEN/ISO-Formulierung [37] für die Erfassung der Lärmbelästigung verwendet, was die Vergleichbarkeit einschränkt. Zudem war eine Aufschlüsselung nach einzelnen Verkehrslärmquellen nicht möglich, da alle Quellen zusammen erfragt wurden. Auch konnten wir die Lärmempfindlichkeit nicht berücksichtigen, ein wichtiger individueller Faktor, der die Lärmbelästigung beeinflussen kann, aber selbst nicht von der Lärmbelästigung abhängig ist [35]. Der Gesundheitszustand der Teilnehmenden konnte ebenfalls nicht mit einbezogen werden, da entsprechende Daten zum Zeitpunkt der Auswertung noch nicht zur Verfügung standen. Aufgrund des Querschnittscharakters unserer Analyse ist die kausale Inferenz im Hinblick auf die Direktionalität der Beziehungen zwischen demografischen, sozioökonomischen Faktoren und der Wohnsituation mit Lärmbelästigung begrenzt. Eine weitere Limitation liegt darin, dass durch den großen Stichprobenumfang auch relativ kleine und möglicherweise irrelevante Assoziationen statistisch signifikant ausfallen können. Alle gefundenen Assoziationen erschienen jedoch plausibel. Schließlich ist anzumerken, dass die NAKO Gesundheitsstudie nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ist.

Schlussfolgerungen

Diese Querschnittsanalyse der NAKO Gesundheitsstudie identifizierte Lärmbelästigung als nach wie vor relevantes Thema der öffentlichen Gesundheit, da jeder dritte Teilnehmende angab, zumindest leicht oder mittelstark durch nächtlichen Verkehrslärm belästigt zu sein, was frühere Studien aus Deutschland bestätigt. Darüber hinaus lieferte unsere Analyse Informationen über die Lärmbelästigung bei Nacht und ergänzt somit die Ergebnisse früherer Analysen, welche sich nur auf die Lärmbelästigung während des ganzen Tages konzentrierten. Mehrere demografische und sozioökonomische Faktoren waren mit Lärmbelästigung assoziiert, insbesondere Wohnverhältnisse und einkommensbezogene Faktoren. Die Studienzentren als regionale Indikatoren zeigten in unserer Analyse großen Einfluss, was in weitergehenden Untersuchungen zum Zusammenhang regionaler Faktoren und Lärmbelästigung erforscht werden sollte.