In:
Therapeutische Umschau, Hogrefe Publishing Group, Vol. 75, No. 5 ( 2018-12), p. 273-279
Abstract:
Zusammenfassung. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind durch eine inadäquate Immunantwort gegen Darmbakterien bedingt. Das Risiko für CED ist teilweise erblich und 12 % aller Patienten haben eine Familienanamnese mit CED. In grossen Genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) konnten zuletzt 240 mit CED assoziierte genetische Regionen gefunden werden. Viele dieser Gene haben eine Funktion im Immunsystem oder sind mit primären Immundefizienzen oder der Mykobakterienabwehr assoziiert. Die 240 gefundenen genetischen Regionen sind insgesamt ein hervorragender Arbeitsplan für weitere Forschungen bezüglich Pathogenesemechanismen und Therapien bei CED. GWAS konnten jedoch bis jetzt nur einen Teil des genetischen CED-Risikos aufklären. Neue Strategien wie genomweites Sequenzieren werden deshalb angewandt, um weitere (seltene) genetische Varianten zu identifizieren. Zudem wird bei wenigen Patienten CED als monogenetische Erkrankung vererbt. Hinzu kommt, dass genetische Aspekte relevant mit Umweltfaktoren interagieren können und dann nur entdeckt werden, wenn in Studien die Umwelt ebenfalls berücksichtigt wird. Interessanterweise können die bis jetzt gefundenen genetischen Varianten auch in Kombination den Krankheitsverlauf nicht voraussagen. Neue GWAS haben deshalb auf die Prognose der CED fokussiert und erste neue Erkenntnisse gebracht, es besteht jedoch weiterer Forschungsbedarf. Der Gastrointestinaltrakt beherbergt eine grosse Zahl an Mikroorganismen (Mikrobiota) und es ist eine grosse Herausforderung für das Immunsystem, diese unter Kontrolle zu behalten und trotzdem von den vielfältigen essentiellen Aktivitäten der Mikrobiota zu profitieren. Bei CED findet sich eine veränderte, dysfunktionale (dysbiotische) Mikrobiota mit verminderter Diversität und einer vermehrten Zahl potentiell pathogener Proteobacteriae, wie z. B. Escherichia coli. Die Mikrobiota ist bei CED in ihrer Zusammensetzung dynamischer (zeitlich variabler) als im gesunden Zustand und Dysbiose ist bei Morbus Crohn stärker ausgeprägt als bei Colitis ulcerosa. In Tierexperimenten konnte eine dysbiotische Mikrobiota durch intestinale Mikrobiotatransplantation (Stuhltransplantation) auf ein anderes Tier übertragen werden und damit eine Darmentzündung ausgelöst werden. Eine intakte Mikrobiota führt hingegen zu vermehrter bakterieller Produktion von kurzkettigen Fettsäuren (Short Chain Fatty Acids, SCFA), die das Immunsystem im Darm herunterregulieren können. Ausserdem weisen einige Bakterien immunsupprimierende Eigenschaften auf. Die ausserordentlich komplexe Mikrobiota und das Netzwerk aus Genetik, Immunsystem, Umwelt und Mikrobiota ist jedoch erst teilweise verstanden. Die Mikrobiota ist ein potentieller therapeutischer Angriffspunkt, der momentan mit Antibiotika, Probiotika, Präbiotika und Stuhltransplantation nur unspezifisch beeinflusst werden kann. Spezifische Interventionsmöglichkeiten könnten hier neue therapeutische Optionen eröffnen.
Type of Medium:
Online Resource
ISSN:
0040-5930
,
1664-2864
DOI:
10.1024/0040-5930/a000999
Language:
German
Publisher:
Hogrefe Publishing Group
Publication Date:
2018
detail.hit.zdb_id:
82044-1
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